Da geben Prüfer sogar wertvolle Tipps: So arbeitet eine Hoteltesterin für Certified

Wer nachts in einem Hotel auf eine Frau trifft, die Schuhputzautomaten testet und sich ganz genau die Beleuchtung in Tagungsräumen ansieht, könnte es mit Annette Trautmann zu tun haben. „Wir wollen ja nicht ins Tagesgeschäft eingreifen“, erklärt die erfahrene Hotelprüferin, deshalb sei sie häufig auch nachts unterwegs. Für das unabhängige Prüfinstitut Certified reist sie durch ganz Deutschland, um herauszufinden, wo Geschäftsreisende optimal übernachten, arbeiten und tagen können. Rund 30 Hotels hat Annette Trautmann in den vergangenen acht Jahren geprüft – ohne erhobenen Zeigefinger, wie sie betont, sondern auf Augenhöhe. Eins ist dennoch durchgefallen.

Erst ein ausgiebiges Frühstück genießen und dann den Wellness-Bereich des Hotels auskosten? Was für Privatreisende optimal sein mag, ist für Geschäftsreisende nicht entscheidend. Denn sie haben andere Bedürfnisse, wie Annette Trautmann weiß: Gibt es um 22.30 Uhr noch etwas zu essen, wenn man nach einem langen Arbeitstag ins Hotel kommt? Und ist genügend Platz, um im Hotelzimmer zu arbeiten? Das sind nur zwei von bis zu 125 Kriterien, die auf der Checkliste der Hotelprüferin stehen. „Wir sind mindestens einen Tag lang mit einer Prüfung beschäftigt“, berichtet Trautmann. Dabei ist sie nicht verdeckt unterwegs, sondern angemeldet und kennt ihren Ansprechpartner schon vom Telefon. „Vor Ort starten wir mit seiner Selbsteinschätzung und gehen gemeinsam das Hotel durch“, erklärt die Hotelprüferin. Dieser Rundgang sei kein reines Abhaken von Kriterien, sondern ein Gespräch mit praktischen Tipps. Dabei kommt Hotels zugute, dass die Prüfer langjährige Erfahrungen in der Branche und schon viele Hotels erlebt haben.

„Wir sind alle Praktiker“, sagt Annette Trautmann über sich und die 14 weiteren Hotelprüfer von Certified. Annette Trautmann ist seit über 20 Jahren Travel- und Mobilitymanagerin beim Technologiekonzern ZF. Das Travel Management legt die Regeln fest, in deren Rahmen Geschäftsreisen bei dem Konzern mit über 150.000 Mitarbeitern stattfinden sollen. Also weiß sie aus erster Hand, was zu beachten ist. Manchmal sind das scheinbar selbstverständliche Dinge wie eine korrekte Rechnungsstellung, wie sie erklärt. Eine Hotelprüfung habe sie bislang nach einigen Diskussionen abgebrochen, weil der Hotelier die nötigen Nachweise nicht lieferte. „Wenn jemand ein Kriterium nicht erfüllt hat, ist daran nicht zu rütteln“, hält Trautmann fest. Dabei ist selbstverständlich, dass sie – wie alle anderen Prüfer auch – stets neutral und unabhängig agiert. Schließlich soll das Zertifikat ein Wegweiser sein für Geschäftsreisende, die sich auf optimale Bedingungen verlassen.

Eines der wichtigsten Kriterien bei einer Hotelübernachtung: guter Schlaf. Nach anstrengenden Arbeitstagen sei entscheidend, dass man sich im Hotelzimmer wohlfühlen könne. „Ich kenne Kollegen, die sich ein Hotelbett gekauft haben, nachdem sie eine richtig gute Nacht hatten“, erzählt Trautmann. Für Geschäftsreisen müsse aber auch die Arbeitsumgebung stimmen: „Während sich ein Tourist keine Gedanken machen würde, wenn er das örtliche WLAN nutzt, muss ein Entwickler auch an die sensiblen Daten denken, die er auf seinem Laptop hat“, erklärt Trautmann. Gerade bei solchen Themen könne sie während einer Prüfung sensibilisieren.

Die meisten Hotels würden die Prüfung als Chance sehen, sich weiterzuentwickeln – und ihren Mehrwert anschließend zu kommunizieren. „Es wird immer wichtiger, sich abzuheben aus der Masse der Standardhotels“, sagt die Hotelprüferin. Das gelinge auch mit Kommunikation. Schließlich schauen viele Menschen inzwischen erst online, bevor sie sich für ein Hotel entscheiden. Geschäftsreisende seien eine wichtige Zielgruppe für Hotels, schließlich sorgen sie für eine ständige Belegung auch außerhalb einer Saison. Laut des Verbands Deutsches Reisemanagement gab es vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 über 195,4 Millionen Geschäftsreisen in Deutschland.

Jenseits von Standards sind es häufig Kleinigkeiten, mit denen man die Hotelprüferin begeistern kann. „Für mich macht ein Hotel besonders, wenn ich merke, da macht sich jemand Gedanken“, sagt Annette Trautmann. Eines ihrer Lieblingshotels in Passau habe beispielsweise eine Bibliothek und im ganzen Gebäude verstreut Leseecken eingerichtet. Dabei sei auch für den Fall gesorgt, dass jemand seine Lesebrille vergessen hat: Mehrere Modelle mit unterschiedlichen Sehstärken liegen bereit. Das sei nur ein Beispiel von vielen, das kaum Budget verlange und Gäste langfristig beeindrucken könne. „Es geht nicht immer um die Hardware“, betont Trautmann. Entscheidend seien auch die Menschen: „Das Personal sollte dem Gast das Gefühl geben, willkommen zu sein.“

Allerdings beobachtet auch die Hotelprüferin, dass zunehmend Mitarbeiter in der gesamten Reisebranche fehlen: „Hoteliers berichten mir, dass sie ihr Haus nur noch zu 70 Prozent auslasten können.“ Inzwischen sei es auch keine Ausnahme mehr, dass der Obstsalat beim Frühstück fehlt, das Restaurant abends wegen eines Krankheitsfalls geschlossen bleibt oder man an der Rezeption 30 Minuten lang warten muss. „Da spürt man auch als Gast den Fachkräftemangel.“ Dennoch werde in Hotels großartige Arbeit geleistet, gerade in den vergangenen Jahren angesichts Covid.